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Unverlangte Werbe-E-Mail

Unverlangte Werbe-E-Mail als Eingriff in Gewerbebetrieb unzulässig.

Bereits die einmalige Zusendung einer Werbe-E-Mail kann eine erhebliche, nicht hinnehmbare Belästigung darstellen, sofern keine Einwilligung seitens des Empfängers besteht. Selbst bei vorherigem Internetkontakt, bei dem sich der Empfänger der Werbe-E-Mail zuvor in die Homepage des Absenders eingeloggt und dort persönliche Daten hinterlassen hat, muss der Absender das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Einwilligung beweisen. (AG Hamburg Urteil vom 10.06.2005 AZ: 5C11/05)

Das Urteil des AG Hamburg stellt die vorläufig aktuellste Fortsetzung einer sich seit Jahren stufenweise entwickelnden Rechtsprechung dar, die sich mit der Unzulässigkeit unerwünschter Werbe-E-Mails auseinandersetzt.

Dabei wurde das Problem anfangs nur wettbewerbsrechtlich beleuchtet. Bereits 1997 erging eine entsprechende Entscheidung, in der eine unaufgeforderte E-Mail-Werbung zwar als wettbewerbswidrig, nicht jedoch als Eingriff in ein von der Rechtsordnung geschütztes Gut qualifiziert wurde. Dies hatte zur Folge, dass strafbewehrte Unterlassungsansprüche nur unter Konkurrenten geltend gemacht werden konnten.

Diese Rechtssprechung wurde schließlich durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes im Jahr 2004 manifestiert und inhaltlich den Entscheidungen über unverlangte Werbung per Telefon bzw. Telefax angeglichen. Zwar sind Kosten für empfange E-Mails zunächst geringer als vergleichsweise per Fax. Die Kosten steigen jedoch mit der immer größer werdenden Zahl der zugesandten E-Mails.

Damit war jedoch noch keine Entscheidung für den (nicht konkurrierenden) Verbraucher getroffen.

Parallel zu den oben beschriebenen Entscheidungen bildete sich eine Entwicklung in der Rechtssprechung dergestalt heraus, dass das Zusenden der unverlangten E-Mails in jeder Hinsicht der Rechtssprechung über die unzulässige Faxwerbung gleichgestellt und als Verstoß gegen geschützte Rechtsgüter - und damit auch für Verbraucher relevant - eingestuft wurde. Denn die verursachten Kosten sind keineswegs so gering, wie es auf den ersten Blick scheint. Zunächst muss der Empfänger zum Abrufen auch der ungewollten Mails „online” sein. Hinzu kommen Serverkosten, die durch Provider in Rechnung gestellt werden, so die Richter im aktuellen Urteil. Nicht zu vergessen sei der Aufwand an Zeit und Mühe zum Aussortieren der Werbemails, um sie von den beruflich (oder privat) veranlassten zu trennen.

Genau dieser Punkt war Anlass für die jüngste Entscheidung, bei der ein Rechts-anwalt sich in der Ausübung seiner Arbeit behindert sah. Er führte - nach Ansicht der Richter zurecht - aus, dass seine beruflichen Pflichten es ihm auferlegten, jede Mail gründlich auf deren Inhalt zu überprüfen, denn beim Löschen einer wichtigen Mitteilung könne es zu einem Haftungsfall kommen. Der durch das Aussortieren verursachte Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand behindere den Empfänger in seiner Berufsausübung und sei nicht zu rechtfertigen, so die Richter.

Damit ist die Hürde über die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit hinaus, hin zum Eingriff in den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb” als gesetzlich anerkannt geschütztes Rechtsgut genommen und kann sowohl von Freiberuflern, als auch Gewerbetreibenden - unabhängig davon, ob sie im konkreten Fall Konkurrenten des Verletzenden sind - geltend gemacht werden.

Gegen diese Entwicklung wandten sich einige andere Untergerichte, indem sie eine andere Auffassung vertraten. Eine obergerichtliche Entscheidung steht noch aus.

Die Tendenz zu der hier vom Amtsgericht Hamburg in seiner jüngsten Entscheidung vertretenen Auffassung ist jedoch klar erkennbar und wird sich bereits aus rechts-politischen Gründen durchsetzen. Die einzelne E-Mail wird dem Urteil zufolge nicht mehr isoliert betrachtet, sondern ist als Teil des nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden Spammings anzusehen. Aufgrund der drohenden Ausuferung wird jeder Mitverursacher für die Gesamtauswirkung verantwortlich gemacht.

Danach muss sich jeder Schadensersatzforderungen und strafbewehrten Unterlassungserklärungen ausgesetzt sehen, der ohne vorherige Zustimmung unaufgefordert Werbe-E-Mails versendet. Das Einverständnis kann ausdrücklich erfolgen oder bereits durch eine bestehende Geschäftsverbindung vermutet werden. Jedenfalls ist das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für das Einverständnis im Zweifel durch den Absender zu beweisen. Der Begriff Werbung wird dabei weit ausgelegt; es muss sich dabei nicht zwingend um werbende Anpreisung im engeren Sinne handeln.

Schlussendlich sei nochmals auf die Besonderheiten der vorliegende Entscheidung hingewiesen, bei der bemerkenswerter Weise im zu Grunde liegenden Fall der Nach-weis des Einverständnisses des Empfängers misslang - trotz Einloggen auf der Internetseite des Absenders und Hinterlassen von persönlichen Daten durch den späteren Empfänger -, weil nicht zu beweisen war, dass die Eintragung der Daten tatsächlich durch den Empfänger selbst oder eine von ihm bevollmächtigte Person vorgenommen worden war!

Rechtsanwalt Lars Dorschner - Leipzig (abgedruckt BVMW-Newsletter 01/06)